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[Können wir uns wirklich noch etwas vormachen ?]

Image (fixe ; à 2 dimensions)
titre :
[Können wir uns wirklich noch etwas vormachen ?]
adresse :
. — [S.l.] : [s.n.], [ca ]
description technique (h × l) :
. — 1 affiche (photocop. ) : n. et b. ; 42 × 30 cm
notes :
descriptif :


[ long texte ; photo (rang de maisons) ; dessin (œil à la paupière mordu par un diablotin) ]

texte :

Können wir uns wirklich noch etwas vormachen ?

Das Trugbild des sozialen Friedens befleckt sich mit Blut. Im Schatten des gewohnten Laufs der Dinge fordert die herrschende Ordnung ein Leben nach dem anderen. Die Gesetze und ihre Hüter zeigen zur Zeit besonders deutlich, was sie im Wesentlichen schon immer waren : Mörder im Namen des Staates.

Während Menschen apathisch durch die Einkaufsstrassen schlendern, wird in Zürich ein Mann bei einem Ausschaffungsversuch getötet. Inmitten der alltäglichen Belanglosigkeiten, mit denen uns die Medien vollstopfen, lassen Gefängniswärter in Bochuz (VD) einen aufsässigen Häftling in seiner brennenden Zelle ersticken. Doch der eintönige Rythmus der Arbeitswelt lässt kaum Zeit, darüber nachzudenken. Nur wenig später sterben zwei weitere Menschen, diesmal in einem Zürcher und einem Schaffhausener Knast.

Jeder Tod im Knast ist Mord, da er von einer äusseren Gewalt herbeigeführt wird, die sich über uns stellt. Wenn nicht durch den Knüppel eines Wärters, dann durch eine auf wenige Quadratmeter reduzierte Existenz. In Pfäffikon erhängt sich eine Person, die wegen Diebstahls in U-Haft sass. Wieder fällt ein Flüchtling aus dem Frachtraum eines Flugzeuges. Ein 18-jähriger angeblicher Autodieb wird bei Freiburg von den Bullen in einem Hinterhalt erschossen. Und all das ist nur, was hier in den letzten drei Monaten durch die Mauern und Medien sickerte…

Die politischen und juristischen Massnahmen, mit denen man vorgibt, solchen "Missgeschicken" nachzugehen, dienen bloss dazu, den sozialen Frieden zu bewahren. Wieso sollten wir uns noch auf solche Betrügereien einlassen, die uns bloss davon abhalten, die Wut in Revolte umzuwandeln ? In Revolte gegen diesen allzu gewohnten Lauf der Dinge... Das Gefängnis ist Folter, da besteht kein Zweifel, doch was ist mit der Gesellschaft, die es benötigt ? Jene, die solche Morde hinnimmt und rechtfertigt ?

Wir kannten all diese Personen nicht, aber wir kennen die sozialen Verhältnisse, in denen sie unerwünscht waren. Wir kennen die Gesellschaft, die Gefängnisse baut, um den auferlegten Gesetzen Achtung zu verschaffen, um die Störfaktoren im sauberen Funktionieren der Ökonomie zu isolieren und schliesslich, um die Reichen und Mächtigen vor denjenigen zu schützen, die sich entscheiden, das Leben zurückzuholen, das man uns täglich entreisst. Denn nicht nur eingesperrt in Knästen oder in der Konfrontation mit Bullen werden immer wieder Menschen getötet, auch diejenigen, die in dieser auswegslosen Gesellschaft festsitzen, werden konstant auf dem Lebensminimum gehalten. Die Knäste verdeutlichen bloss eine Bedingung, die sich uns überall zeigt, wenn wir ihr ins Gesicht zu blicken wagen : Seit unserer Geburt haben wir der herrschenden Ordnung unsere Pflichten abzubüssen. In der-Schule, bei der Arbeit, vor dem Warenregal… Und mit jedem Ausbruchsversuch laufen wir Gefahr, dass uns die Leine noch enger gezogen wird. Einer solchen, auf Zwang basierenden Ordnung gilt unsere Verachtung — und unsere Angriffslust ! Wir erwarten nichts von ihr. Wir schulden ihr nichts. Was sollte uns verbinden ? Ein Leben ohne Substanz ? Was uns diese Gesellschaft aufzwingt, widert uns an, und Was sie uns anbietet, interessiert uns nicht. Je mögliche Veränderung liegt an uns
selbst.

Der Kampf für die Freiheit muss jenseits der Gesetzlichkeit gefochten werden. Dafür gilt es Komplizen zu finden. Dafür gilt es den Feind zu benennen. Die verantwortlichen Institutionen der Einsperrung und Unterdrückung haben einen Namen, ein Gesicht und eine Adresse…

Wir wollen die unzähligen Morde nicht vergessen, nicht bis das letzte Gefängnis und das letzte Verwaltungsgebäude fällt ; nicht bis zum Ende dieser Maschinerie, die täglich weniger durch Zustimmung als durch Gewohnheit aufrechterhalten wird. Die falschen Trennungen zwischen Legal und Illegal, Bürger und Migrant, Wohnblockbewohner und Häftling, Arbeiter und Dieb, Dir und Mir verhindern bloss, das wir uns als Individuen begegnen, die sich als Unterdrückte erkennen. Denn aus solchen Begegnungen kann die Entschlossenheit wachsen, dem entgegenzutreten, worin wir diese Unterdrückung sehen. Sie könnten uns dazu verleiten, das Träumen zu wagen, um auch das Kämpfen zu wagen. Sie könnten schliesslich der alten Idee wieder Kraft einhauchen, dass es zunächst die Revolte gegen jegliche Kontrolle über unser Leben ist, die uns erlaubt, mit der Freiheit zu experimentieren.

Von dem Moment an, wo wir uns ein Zusammenleben vorstellen können, das auf gegenseitiger Hilfe und einer anti-autoritären Sensibilität aufbaut, anstatt auf Leistungsdruck und Ausbeutung ; von dein Moment an, wo wir uns eine Welt ohne Knäste denken können, und somit ein Leben, das an uns selbst liegt — mit all seinen Konflikten und Leidenschaften — ; von dem Moment an haben wir auch die Möglichkeit, es wirklich zu realisieren !


sources :
 
cotes :

Aff3693 - 311019 (cira L)